Stell dir vor, du machst seit deinem zweiten oder dritten Lebensjahr Sport. Du wächst damit auf – es wird deine größte Leidenschaft. Schon früh bewunderst du die professionellen Athleten im Fernsehen, im Fußballstadion oder, wie ich, in der Arena der Turner. Es sind Menschen, die für dich unantastbar erscheinen, die scheinbar alles erreicht haben. Sie sind die Helden deiner Kindheit.
Ich hatte einen Freund, der schon als Kind auf einem extrem hohen Niveau Tennis spielte. Irgendwann ging er auf ein spezialisiertes Sportgymnasium, um seine Karriere als Profi zu verfolgen. Oder die Freundin meiner Cousine – sie ging für das Tennis nach Amerika, um ihre Träume an einem College zu verwirklichen. Diese Menschen hatten klare Wege vor sich, ein Ziel vor Augen, das größer war als sie selbst. Und ich? Ich wollte immer genau das: Sport sollte mehr sein als ein Zeitvertreib nach der Schule oder eine Möglichkeit, sich nach der Arbeit auszupowern. Für mich sollte er alles bedeuten.
Im Fußball hat es für mich nicht gereicht. Ich war technisch nicht gut genug, und die Verletzungen machten alles zunichte. Meine Chancen? Tot. Aber der Traum lebte weiter.
Beim Leistungsturnen kam zum ersten Mal das Gefühl auf, dass ich wirklich mehr erreichen könnte. Ich begann, an Wettkämpfen teilzunehmen, reiste zu Meisterschaften, trat bei Landeswettkämpfen an. Der Nervenkitzel meines ersten Wettkampfes wird für immer in mir bleiben – ein Moment purer Konzentration und Hoffnung. Doch auch hier sollte es nicht sein. Meine Gelenke hielten der Belastung nicht stand, und auch dieser Traum zerbrach.
Doch das Fitnessstudio war immer da. Seit ich 15 war, begleitete es mich durch jede Sportart, durch jede Verletzung. Doch nie dachte ich daran, dass gerade das meine Möglichkeit sein könnte, Profi zu werden. Es war einfach nur Teil meines Lebens, wie ein beständiger Freund, der mich nie verließ.
Dann, während meiner Ausbildung zum Sport- und Gesundheitstrainer, stellte mir ein Kollege eine entscheidende Frage: „Hast du schon mal daran gedacht, auf die Bühne zu gehen?“ Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung, was er meinte. Doch ich ließ es mir durch den Kopf gehen und begann, mich darüber zu informieren.
Knapp ein Jahr später, nach einem intensiven Aufbau, war es soweit: Mein erster Wettkampf. In Deutschland trat ich an, und dann kam die Europameisterschaft in Budapest. Zweimal deutscher Vizemeister und Vize-Europameister in der Men's Physique – ein Ergebnis, das mich stolz machte, aber nicht zufriedenstellte. Dreimal war ich am ersten Platz vorbeigeschrammt. Ich konnte das nicht auf sich beruhen lassen. Also entschloss ich mich, weiterzumachen.
Mit einem neuen Mindset ging ich in die nächste Saison. Diesmal hatte ich einen Coach, Steffen, der heute Teil des Teams von Infinite Peak ist. Gemeinsam verfolgten wir ein klares Ziel: Ich wollte Profi werden. Ich spürte tief in mir, dass ich das Zeug dazu hatte, etwas Großes zu erreichen. Ich wusste es einfach.
Der Wechsel zur Classic Physique brachte neue Herausforderungen. Im Aufbau lag der Fokus auf den Beinen und darauf, insgesamt an Masse zuzulegen. Unser Plan: fünf Wettkämpfe, neun Auftritte insgesamt. Das Endziel? Die Mr. Natural Olympia in Las Vegas – der größte Wettkampf im Natural Bodybuilding.
Und dann, nach harter Arbeit und unzähligen Stunden im Training, war es soweit: Ich sicherte mir den Gesamtsieg in der Classic Physique auf der Europameisterschaft und wurde Profi im Natural Bodybuilding. Mein erster Profiauftritt fand direkt bei der Mr. Natural Olympia statt.
Mit 22 Jahren hatte ich erreicht, wovon ich immer geträumt hatte. Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, dass man auf sein Herz hören und niemals aufgeben sollte. Egal, wie viele Rückschläge man erleidet – jedes Ziel ist erreichbar, wenn man bereit ist, alles zu geben.
Bist du bereit?
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